Boris Yoffe English Deutsch Русский
Barbers Violinkonzert

Bei Barbers Konzert muss ich mich nach den Grenzen der Musik, des Musicals und Hollywoods
fragen.
Die Kunst ist ein Stück Leben und keine Lackierung. Und obwohl Barber hier traditionelle Mittel
der europäischen Musik benutzt, ist es ein anderer fremder Geist, im Gegensatz zu dem Konzert
von Korn- gold, das zwar auch gewissermaßen Unterhaltung ist, aber doch einen Nerv hat, glänzend
und meisterhaft gestaltet ist.
Die typischen Konzertformen, das musikalische Material, die Motiv-Entwicklung, der Dialog des
Solisten mit dem Orchester usw. scheinen bei Barber irgendwie daneben, an der falschen Stelle zu
sein, gewaltsam hineingebracht. Denn ohne Nerv, ohne dramatische Spannung verlieren alle diese
Elemente ihren Sinn. Es wird immer zum Potpourri: egal was und wo es stattfindet, es erweckt
immer den Ein- druck von Beliebigkeit. Hier fällt es besonders auf, weil doch Gefühle, Emotionen
gemeint sind: lyrische, aufgeregte, übermütige und andere; ich kann mir gar nicht vorstellen, wie
man dies ernsthaft spielen kann ohne sich zu verstellen.
Es ist wie bei einem Hollywood-Film: er mag ja gut und wunder- bar sein, aber er ist noch lange
keine Kunst wie die Filme Bergmans oder Pasolinis – es ist einfach eine andere Gattung.
Das Konzert ist ein Beispiel dafür, wie Schön und Schöen sich unterscheiden. Das bedeutet nicht,
dass das Schöene schlecht ist, es gehört nur einer anderen Realität an.
Trotzdem glaube ich, dass man es auch gut spielen und sogar genießen kann, wenn man es nicht
richtig ernst nimmt. Es ist wie im Kino – nicht wie im Theater, wo man den ganzen Abend
ununterbrochen eine bestimmte Rolle spielt – ein Zusammenkleben einzelner Episoden. Eine andere
Spieltechnik.
Bewahrt man die Distanz, so kann man die Süßlichkeit und unnatürliche Exaltation in den
„Kulminationen“ vermeiden (die Kulminationen stehen in Anführungszeichen, weil es sie eigentlich
nur dort geben kann, wo es auch eine Entwicklung gibt). Die Aufdringlichkeit der kurzen
wiederholten Motive kann man dadurch ausgleichen, indem man sich die Musik in langen
Abschnitten denkt, von einer Kadenz zur anderen. Allerdings wird das dem Publikum, das das
Schööne dem Schönen vorzieht, nicht gefallen. Nun gut, man könnte sie dafür durch Ironie
verzaubern. Die Banalität, das Primitive kann man als Schlichtheit interpretieren, das Süßliche als
zurückhaltende Lyrik, die leeren Ansprüche auf Dramatik und Aufregung als Skurriles und
Fantastisches; die explodierenden Kulminationen kann man mit einem Stimmungswechsel
vorbereiten, dem Übersüßlichen des langsamen Satzes etwas Aristokratisches bei mischen, im
Finale keine besondere glänzend-blendende Virtuosität hervorbringen...